Polizisten bei einer Straßenblokade in Wien
Reuters/Lisi Niesner
Juristen skeptisch

Reichlich Kritik an Anti-Terror-Paket

Das kurz nach dem Anschlag in Wien präsentierte Anti-Terror-Paket der ÖVP-Grünen-Regierung hat in der am Dienstag endenden Begutachtung für reichlich Kritik gesorgt: Juristen und Juristinnen meldeten unter anderem Skepsis an den beiden zentralen Punkten der Reform an. Sowohl eine geplante elektronische Überwachung für Extremisten als auch die Schaffung eines eigenen Straftatbestands zu religiösem Extremismus werden abgelehnt.

Die elektronische Überwachung wird als „massiver Eingriff“ in das Privatleben und in das Grundrecht auf Datenschutz kritisiert, dessen Notwendigkeit in den Gesetzestexten nicht begründet werde, kritisiert die Richtervereinigung. Sie verwies darauf, dass die U-Kommission zum Terroranschlag nicht einen Mangel an Informationen über das (gefährliche) Verhalten des Attentäters nach seiner bedingten Entlassung, sondern einen unzureichenden Umgang mit vorhandenen Informationen und fehlenden Informationsaustausch zwischen Behörden festgestellt hat.

„Die geplante Überwachungsmöglichkeit gaukelt der Öffentlichkeit zusätzliche Sicherheit durch Unterstützung der polizeilichen Präventionsarbeit vor. Zielführender wäre stattdessen eine adäquate Ausstattung der Sicherheitsbehörden, insbesondere polizeilicher Sondereinheiten, und die regelmäßige Vernetzung im Rahmen der gerichtlichen Aufsicht“, so die Richtervereinigung in ihrer Stellungnahme.

Geplanter Straftatbestand brächte kaum Änderung

Bei der geplanten Schaffung eines neuen Tatbestands zu religiösem Extremismus sehen sie das Problem, dass sich dieser von bereits bestehenden kaum unterscheidet. Ähnliches schreibt auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme. Sie habe Bedenken gegen die vorgeschlagene Einführung des neuen Straftatbestandes gegen religiös motivierte extremistische Bewegungen samt Einführung eines neuen Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung.

Kerzen und Kränze am Ort des Anschlags in der Wiener Innenstadt
ORF.at/Christian Öser
Anlass für das Paket war der Terroranschlag in der Wiener Innenstadt im November

Aufgrund der Erfahrungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien „besteht keine kriminalpolitische Notwendigkeit für die Einführung des § 247b StGB, weil die von dieser Regelung erfassten Straftaten schon nach geltendem Recht unter die Straftatbestände der §§ 246 (staatsfeindliche Verbindungen) und 247a StGB (staatsfeindliche Bewegung), deren Tatbestandselemente über weite Strecken ident sind, subsumiert werden können“.

Regierung soll Einführung überdenken

Außerdem könne die Textierung zum geplanten Paragrafen leicht zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Die Oberstaatsanwaltschaft empfiehlt der Regierung daher, die Einführung eines neuen Straftatbestandes zu überdenken. Selbiges gelte auch für die beabsichtigte Einführung des Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung.

„Auch dafür gibt es keine kriminalpolitische Notwendigkeit, weil die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung und die bereits bestehenden besonderen Erschwerungsgründe in der Praxis ausreichen.“ Vor der Ausweitung „demonstrativ aufgezählter Erschwerungsgründe“ warnt auch die Richtervereinigung, weil das zu einer „zunehmenden Überfrachtung führt“.

Bedenken auch in Verfassungsdienst

Auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sieht beim neuen Straftatbestand „mögliche Abgrenzungsprobleme zu den bereits bestehenden Straftatbeständen wie dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 StGB und dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a StGB“.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Innsbruck kritisiert ebenfalls die geplante Möglichkeit einer Fußfessel als schweren Eingriff in die persönliche Freiheit einer (bedingt) entlassenen Person. „Die Freiwilligkeit der Maßnahme ist eine Pseudofreiwilligkeit: Wer seine Zustimmung nicht erteilt, wird natürlich nicht bedingt entlassen werden.“ Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie sieht überhaupt „keine Notwendigkeit, das bestehende materielle Terrorismusstrafrecht zu verschärfen“.

Lob für Ausweitung der gerichtlichen Aufsicht

Begrüßt wurde in den Stellungnahmen der Richtervereinigung und die Oberstaatsanwaltschaft Wien vor allem die Ausweitung der gerichtlichen Aufsicht. Die Richter können sich derartige Möglichkeiten auch in anderen Fällen, etwa bei schweren Fällen häuslicher Gewalt, vorstellen, sie geben aber zu bedenken, dass „damit ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand der Gerichte verbunden ist, der zu evaluieren ist“.

Zweiter Teil zielt auf Islamgesetz ab

Mit dem zweiten Teil ihres Anti-Terror-Pakets will die Regierung das Islamgesetz verschärfen. Die auf den Weg gebrachte Novelle sieht vor, dass das Kultusamt jährlich Einblick in die Finanzen der Kultus- sowie der Moscheegemeinden erhalten muss. Sollten die Einrichtungen dAs nicht vorlegen, drohen Geldbußen bis zu 72.000 Euro. Außerdem will die Regierung ein „Imameregister“ schaffen, das die Tätigkeit muslimischer Geistlicher in Österreich überwachen soll.

Auf Kritik stößt im Begutachtungsverfahren vor allem das geplante Verzeichnis aller Funktionsträger und die Möglichkeit einer vertieften Überwachung der Tätigkeit der Religionsgesellschaft. „Die Bestimmung in dieser Allgemeinheit stellt jedoch nichts anderes als einen Generalverdacht in Richtung der islamischen Religionsgesellschaften dar und ist in dieser Form daher als diese Religionsgemeinschaft diskriminierend abzulehnen“, schreibt etwa die Richtervereinigung.

Auch die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) hat die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Islamgesetz sowie im Bekenntnisgemeinschaftengesetz kritisiert. Das Kultusamt würde dadurch zu einer „Religionspolizei“ – mehr dazu in religion.ORF.at. Das Institut für islamisch-theologische Studien an der Uni Wien nutzte unterdessen seine Stellungnahme für Kritik an der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ). Es stelle sich die Frage, ob sich die IGGÖ wirklich den Interessen der österreichischen Muslime verpflichtet fühlt oder sich nicht vielmehr „zum Instrument der meist aus dem Ausland gesteuerten Verbände machen lässt“.